Als Younes Ouaqasse vor acht Semestern nach Jena zog, hatte er hier keine Verwandten und keine Freunde. Die Familie wohnt in Mannheim. Und so verbrachte er ganze Tage im Internet auf der Suche nach einer Studentenbude. Am Ende hat es wenigstens für drei Monate geklappt ein kleines Zimmer in einer Wohngemeinschaft für 350 Euro. "20 Sachen hatte ich mir bis zu diesem Zeitpunkt angeschaut", sagt er.
Und weil Ouaqasse nicht nur Student, sondern inzwischen auch Vorsitzender des Rings Christlich-demokratischer Studenten in Thüringen ist, hat die Wohnungsnot an den heimischen Universitäten jetzt den Landesparteitag der CDU-Thüringen erreicht. "Die Förderung der Schaffung von studentischem Wohnraum durch das Studentenwerk und durch andere öffentliche und private Betreiber von Studentenwohnheimen", fordert ein Antrag von RCDS und Junger Union. Zudem sollen Erfurt, Weimar und Jena in ihren Stadtplanungen gezwungen werden, studentische Bedürfnisse besser zu berücksichtigen. "Eigene Grundstücke im städtischen Besitz sollen für den Neubau von studentischem Wohnraum bevorzugt freigegeben werden", so Ouaqasse. Zudem sollten die Vereinbarungen mit der Bahn, wonach Studenten die Regionalzüge in vielen Teilen Thüringens kostenlos nutzen können, auch auf Busunternehmen ausgedehnt werden. Damit würden Studentenbuden in Apolda auch für Jenaer und Weimarer Studenten wieder interessant.
Gerade in Erfurt, Weimar und besonders in Jena ist die Situation kaum noch haltbar. Die Wohnungsnot entwickelt sich insbesondere für Erstsemester zu einem ernsten Problem. Denn nach dem Abitur im späten Frühjahr ist für viele Fachrichtungen lange nicht klar, an welcher Universität man Anfang Oktober sein Studium aufnehmen kann. Mediziner beispielsweise erhalten oft erst im September Zusagen. Ebenso ergeht es Abiturienten, die als Nachrücker für einen Studiengang in der Friedrich-Schiller-Universität oder der Fachhochschule Jena angenommen werden. Dann heißt es, erst einmal auf Quartiersuche gehen.
Laut Verband der Wohnungswirtschaft steht in Jena gerade einmal 1,5 Prozent des Wohnungsbestandes leer. Selbst einst völlig unattraktive Lagen wie die Platten von Lobeda sind fast komplett vermietet. "Auch im näheren Umland sieht es ähnlich aus", sagt Ouaqasse. "In Kahla haben wir eine Leerstandsquote von 1,4 Prozent, in Stadtroda sind es drei Prozent."
Erst im Städtedreieck Bad Blankenburg, Saalfeld, Rudolstadt oder in Apolda und Gera lassen sich auf Anhieb freie Wohnungen finden. In diesen Städten steht rund jede zehnte Wohnung leer.
So hatten die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften im Saaledreieck und Gera bereits versucht, Studierende aus Jena zu einer Ansiedlung an diesen Standorten zu bewegen. Die Resonanz der Studierenden aus Jena auf diese Angebote war jedoch kaum nennenswert, weswegen entsprechende Bestrebungen wieder eingestellt wurden. "Die Wohnungsunternehmen in Gera gingen dann den umgekehrten Weg und investierten in Neubauten in Jena", weiß der Jenaer Stadtrat und stellvertretende JU-Landeschef Guntram Wothly.
Quelle
Artikel erschien am 02.11.2012 in der Ostthüringer Zeitung: http://jena.otz.de/web/lokal/leben/detail/-/specific/Wohnungsnot-Wohnraum-in-Jena-nicht-mehr-erschwinglich-1202914